Einfach unglaublich

Heute morgen um 7.30 Uhr hat das Bohrteam angefangen, durch den Fels zu bohren. Es ging langsam voran und um 11 Uhr waren sie bei 34m Tiefe angekommen.
Es ging zu langsam, da sie noch mindestens bis zu 60m, besser 80m Tiefe bohren müssen. Ihre Idee war, einen anderen Hammer zu benutzen. Also holten die 11 Bohrgestänge wieder heraus, denn ganz unten war der Hammer montiert, der ausgetauscht werden sollte.
Beim Herausholen des Bohrgestänges ist ein Rohr beschädigt worden, da Gesteinsmehl aufgequollen ist.

Der Bohrmeister (Robert), ein alter erfahrener Ugander, der für diesen Job von der kongolesischen Firma (NGO) ausgeliehen wurde, war der Meinung, dass jetzt nur noch mit einem kleinen Durchmesser weiter gebohrt werden kann.

Robert bei der Arbeit; Nikon D800, AF-S Nikkor 70-200/2.8 FL ED VR, 70mm, f6.7, 1/125s, ISO 100

Ich war dagegen, da dann kein Platz für den Bau eines Filters zwischen der Bohrwandung (Erde) und dem Filterrohr vorhanden ist. Für die Ugander und Kongolesen ist es einfach normal, keinen Filter einzubauen. Deswegen halten die Brunnen in der Regel auch nicht lange.

Es kam zu stundenlangen Meetings. Die Bohrfirma, eigentlich eine NGO, hat gegen die Absprachen verstoßen – vor unserem Eintreffen mit der Arbeit begonnen und ist nun nicht in der Lage, die Bohrung mit einem Durchmesser von 7 Zoll, sondern nur mit 5 Zoll zu Ende zu bringen.

Es stellte sich heraus, dass die NGO alle Geräte bei Firmen ausgeliehen hatte und auch kein eigenes Fachpersonal hat. Das Bohren haben Ugander erledigt.
Den Vogel abgeschossen hat der Chef der NGO, Andy. Er hat einen PhD (Doktortitel). Wie sich herausstellte aber nicht in Brunnenbau, Geologie, Wasserbau usw., sondern in Linguistik. Er lehrt Französisch an der Universität.
Wie kann man als Chef einer Brunnenbaufirma Null Ahnung vom Brunnenbau haben? Hier ist alles möglich.

Mittlerweile haben Robert und ich verschiedene Möglichkeiten diskutiert. Am Schluss blieben nur übrig – mit 5 Zoll weiterbohren oder abbrechen.

Ich war mit meinem Latein auch am Ende, da ein Filter für mich Pflicht ist. Ich habe zwischendurch versucht, einen Brunnenbauer in Deutschland zu erreichen, um ihn nach Rat zu fragen. Leider habe ich ihn nicht erreicht.

Eine Entscheidung musste her. Robert konnte mich dann doch überzeugen, dass es in diesem Fall nicht schlimm ist, wenn kein Filter vorhanden ist, da das Gestein zu grob ist als dass es die Filterschlitze im Rohr verstopfen könnte. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich auf seine über 20 Jahre Erfahrung vertraue. Er hat um 16 Uhr die Erlaubnis bekommen weiter zu bohren – mit 5 Zoll Durchmesser anstatt 7 Zoll.

Alle waren sehr erleichtert, am meisten Andy. Er hätte sonst ein ernsthaftes Problem gehabt.

Die Bevölkerung stand den ganzen Tag an der Baustelle, bis zum Sonnenuntergang;
Nikon D800, AF-S Nikkor 70-200/2.8 FL ED VR, 200mm, f5.6, 1/500s, ISO 200

Emmanuel der Chefarzt, Andy und ich standen dann noch eine Weile draußen. Ich habe zu Andy gesagt, dass ich davon ausgegangen bin, dass er Ahnung hat, wenn er einen PhD hat und bei einer Bohrfirma arbeitet. Er soll das nächste mal schreiben, dass der PhD in Linguist ist.
Ich fragte ihn, ob er weiß, welche zwei Zahlen man braucht, um eine Pumpe auszusuchen. Er sagte „nein“. Emmanuel hat sich fasst auf den Boden geworfen und mir blieb die Spucke weg. Ich habe ihm gesagt „Andy, du hast ja überhaupt keine Ahnung. Du bist ein netter Mensch und mit Sicherheit ein guter Lehrer. Aber der Job als Chef einer Brunnenbaufirma ist nun wirklich nichts für dich.“ Er meinte, sein Job als Chef ist nur das Managen, die technischen Sachen machen die Techniker. Welche? Es gibt keine!

Ich habe dann vorgeschlagen, dass ich zusammen mit Robert ein Seminar in Wasserbau und Brunnenbau anbiete. Andy. „I‘m your first student.“ Wir mussten alle lachen. Humor hat er ja.

Nachdem geklärt war, dass weiter gebohrt wird, wollte ich zum wiederholten Mal klarstellen, dass vor dem 48-Stunden-Pumpversuch alles organisiert ist. Ich fragte Andy, ob er schon die Pumpe organisiert hat. „Nein, noch nicht.“

Er holte dann einen Block mit Stift hervor und schrieb feinsäuberlich auf, was er für den Pumpversuch organisieren muss:
1. eine Pumpe für 15.000 l/h
2. einen 100m langen Schlauch, mindestens 100mm Durchmesser
3. ein Verbindungsstück zwischen Pumpe und Schlauch

Ich merkte, er hat überhaupt keine Ahnung, absolut Null. Zu Robert sagte ich „weißt Du jemand in Uganda, der professionell einen Pumpversuch machen kann?“ „Andy hast Du schon einmal einen Pumpversuch gemacht?“ „Nein.“

Robert kennt jemand. Andy hatte nun die Aufgabe Airtime zu besorgen, um die Person anzurufen. Hoffentlich hat die Person Zeit diese Woche zu kommen. Eigentlich arbeitet jetzt kurz vor Weihnachten niemand mehr.

Am Schluss haben Robert und ich Andy darauf hingewiesen, dass ein 48-Stunden-Pumpversuch zwei Nächte beinhaltet: „Andy. Bitte besorge Scheinwerfer für die Nacht und einen Regenschutz!“ Alle mussten lachen, Andy auch.
Andy heißt jetzt nur noch „Mr. Teacher“.

Wir beten und hoffen, dass diese Geschichte noch ein gutes Ende nimmt. Es gibt nichts was es nicht gibt.


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Kommentare

2 Antworten zu „Einfach unglaublich“

  1. Joachim

    Hallo ihr beiden, bei diesem Projekt braucht ihr tatsächlich Leidenschaft. Wir wünschen euch viel Kraft und gutes gelingen. Liebe Grüße Sylvana & Joachim

  2. Franz M.

    Euch wünsche ich ein gutes neues Jahr !
    Liebe Grüße, Franz